Welche Inhalte sollen bei der Ausbildung Islamischer Seelsorger vermittelt werden ?

Man kann bestehende Seelsorge-Konzepte nicht einfach um ein kurzes Zusatz-Modul „Islam“ anreichern, um so ein neues Gesamtmodul „Islamische Seelsorge“ zu haben.

Es ist aber grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, wenn bei der Ausbildung Islamischer Seelsorger Ressourcen bestehender Strukturen, Netzwerke und Erfahrungen nicht Islamischer Religionsgemeinschaften genutzt werden.

Denn bei der Seelsorge gibt es viele Aspekte, die religionsübergreifend sind.

Hierzu schreibt Dr. Ibrahim Rüschoff in seinem Buch „Ratgeber für Muslime bei psychischen und psychosozialen Krisen“:

Obwohl Therapeuten und Berater ohne fundierte Kenntnisse über den Islam und ohne Zugang zur Lebenswirklichkeit ihrer muslimischen Patienten für diese eine Art „Notlösung“ bleiben, muss man die Frage, ob diese dennoch einen nichtmuslimischen Therapeuten aufsuchen können, trotz der diskutierten Bedenken und Einschränkungen mit „ja“ beantworten. Zwei Gründe sind dafür entscheidend:

Ein guter nichtmuslimischer Therapeut kann seine Unkenntnis des Islam leichter ausgleichen bzw. sich Hilfe suchen als ein schlechter muslimischer Therapeut seine therapeutischen Defizite.

Ein guter Therapeut wird die Lebenswelt des Klienten immer als dessen eigene respektieren, auch wenn er sie nicht teilt oder zu Beginn seiner Therapie nicht kennt. Er wird das Kopftuch einer muslimischen Patientin oder bestimmte islamische Verhaltensweisen in der Ehe nicht einfach als schädlich oder überflüssig bezeichnen. Daher können Muslime selbstverständlich auch von nichtmuslimischen Therapeuten profitieren“.

Dem könnte man folgendes entgegnen: Islamische Seelsorge hat andere Hilfskonzepte als professionelle Psychotherapie.
Die Islamische Seelsorge muss von Islamischen Seelsorger übernommen werden, weil es – im Gegensatz zur professionellen Psychotherapie – um das seelisch/spirituelle/religiöse Wohl des Menschen geht und nicht um die Behandlung einer fachärztlich definierbaren psychiatrischen Krankheit.
Jeder Gläubige sollte ein freundschaftliches und aufgeschlossenes Verhältnis zu den anderen Gläubigen der abrahamitischen Religionen haben ! Es ist aber ganz natürlich, dass Vertreter der eigenen Religion das höchste Vertrauen geniessen.

Im Dezember 2012 hat uns das Mannheimer Institut das Konzeptpapier „Ausbildungsmodule Basisausbildung Islamische Seelsorge und Krankenhausseelsorge“ entwickelt.

Dieser Vorschlag enthält folgende Module

1.  Basiswissen
2.  Muslimische Patienten im Krankenhaus
3.  Islamische theologische Fundierung
4.  Kommunikation
5.  Seelsorge – Situation und seelsorgerischer Einsatz
6.  Seelsorge – Gespräche
7.  Die psychischen Probleme von Mitraten im Alltag und von Patienten und ihrer Angehörigen vor und nach einem Krankenhausaufenthalt und Behandlungsmöglichkeiten
8.  Eine Einführung in systematische Zusammenhänge

Dieses Konzept entspricht weitgehend dem österreichischen Vorschlag eines Bachelor – Studiengangs „Islamische Seelsorge“. Dort findet sich folgende Struktur:

1.  Theologische Grundlagen
2.  Einführung in die Islamischen Wissenschaften
3.  Theologie der Islamischen Seelsorge
4.  Islamische Seelsorge im europäischen Kontext
5.  Muslime und Gesellschaft (Religionssoziologie, Religionspsychologie)
6.  Muslimische Gemeindearbeit
7.  Islamische Lebenspraxis im österreichischen Kontext
8.  Methodenlehre für die Seelsorge
9.  Seelsorge für Muslime in Österreich (Supervision)
10.  Professionsbildung

Bei der Reihenfolge der Seminarmodule gibt es Unterschiede, weil das Mannheimer Institut mit praktischen Inhalten startet, während die österreichische Konzeption mit den Islamischen Grundlagen beginnt.

Positiv fallen die österreichischen Module „Muslimische Gemeindearbeit“ und „Islamische Lebenspraxis im österreichischen Kontext“ auf, die beim Mannheimer Institut wenig Raum finden.

Das ergibt sich aber aus den unterschiedlichen Zielsetzungen, weil sich die Konzeption des Mannheimer Institutes überwiegend an praktische Seelsorger und deren Ausbilder richtet, während die österreichische Bachelor – Konzeption universitären Anforderungen genügen möchte.

Die meisten Punkte des Curriculums des Mannheimer Institutes waren religionsübergreifend von universeller Bedeutung:

zum Beispiel:
*  Behandlung durch gleichgeschlechtliche Ärzte und Pflegepersonal
*  Schweigepflicht
*  Umgang mit persönlichen Patientengeschichten
*  Grundlagen der Kommunikation
*  eigene Erfahrungen des Seelsorgers mit Tod und Trauer
*  Belastungsreaktionen in der akuten Trauersituation
*  Depression als Volkskrankheit
*  Einführung in systemische Zusammenhänge
*  Selbstreflexion

Anderer Punkte waren Islamischer Natur und mussten deshalb von der Religionsgemeinschaft des Zentralrates der Muslime, welche das Curriculum überprüft und an der Überarbeitung mitgewirkt hat, mit Inhalten gefüllt werden.

zum Beispiel:
*  was ist halal, was ist haram – bezogen auf die Behandlung
*  Islamische theologische Fundierung
*  Diagnose von unheilbaren Krankheiten
*  religiöse Vorstellungen zur Begleitung Sterbender

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