Islamische Seelsorge

Die Nachfrage nach Islamischen Seelsorgern ist stark gestiegen.

Nach aktuellen Schätzen werden mindestens 1.200 hauptberufliche Seelsorger jährlich benötigt, um Muslime in Krankenhäusern, Altenheimen oder Haftanstalten seelisch / spirituell zu betreuen. Bis jetzt gibt es nur wenige Organisationen, die ehrenamtliche Seelsorger ausbilden, welche den Bedarf nicht einmal ansatzweise erfüllen können.
Grund genug, sich mit dem Thema Islamische Seelsorge in Deutschland etwas ausführlicher zu beschäftigen.

Der Begriff der Seelsorge im Islam – Brauchen wir überhaupt eine Seelsorge für Muslime ?

Im Arabischen und im Türkischen gibt es den Begriff „Seelsorge“ überhaupt nicht.
Deshalb hört man immer wieder den Einwand:
„Warum brauchen Muslime überhaupt Seelsorge – wir haben doch den Koran“.
Der Koran bietet eine praktische Handlungsanweisung für das Leben und das Sterben – somit ist der Einwand: „Wozu brauchen wir Seelsorge – wir haben doch den Koran“ durchaus berechtigt.
Dabei ist aber ein entscheidender Punkt zu beachten:
In Deutschland ist die Islamische Infrastruktur, die beim Lesen, Verstehen und Umsetzen des Korans hilft, nur sehr schwach – zumindest im Vergleich zu Islamischen Ländern.
Dort gibt es überall Moscheen.
Seelsorge wird durch Imame und Großfamilien und der Gesellschaft direkt oder indirekt übernommen.
Probleme wie Depressionen, Einsamkeit sind seltener, weil die Menschen in einer Gemeinschaft leben.
Allerdings gibt es auch hier nachteilige Entwicklungen, weil die Globalisierung, die Individualisierung und die Monetarisierung – der Drang nach Geld – die sozialen Strukturen zunehmend verändert

Wenn in Deutschland ein Muslim alleine im Krankenhaus liegt, ist es wichtig wenn er neben dem Koran Menschen hat, die ihm Hilfe und Halt geben.

Somit ist die Frage also nicht, OB wir eine Islamische Seelsorge in Deutschland brauchen, sondern WIE diese Seelsorge ausgestaltet werden soll und WER diese Seelsorge übernehmen kann.

Bevor ich auf das WIE und das WER eingehe, müssen wir noch einige Klärungen zum Begriff der „Seele“ vornehmen:

Im altbiblischen Kontext gibt es den Begriff der „Seele“ überhaupt nicht.

In der hebräischen Bibel finden sich keine Inhalte über eine „Seele“, die unabhängig vom menschlich, lebendigen Körper existiert. Im rabbinischen und mittelalterlichen Judentum bilden Seele und Körper während des Lebens und nach der Auferstehung eine Einheit. Was das für die jüdische Seelsorge konkret bedeutet, hat der Rabbiner Dr. Max Dienemann wie folgt zusammen gefasst:
„Seelsorge ist nicht die Sorge für das Heil der Seele in einer theologischen Färbung dieses Wortes, sondern die Sorge für den jüdischen Menschen in allen Bezirken seines Lebens (…) Das Seelische und Leibliche stehen in einer unauflöslichen Verbindung“ (zit. nach Homolka 2012, S. 38).
Aus jüdischer Sicht besteht folgender Unterschied zwischen jüdischer und christlicher Seele:
„Der christliche Priester gilt als Mittler der Seele zu Gott, der Rabbiner ist Führer zu der göttlichen Lehre. So liegt eigentliche Seelsorge schon im Amte des christlichen Priesters begründet, während alles Rabbinertum seine Autorität aus seinem Wissen um die Dinge der göttlichen Lehre schöpft“ (Ulrich Steuer, Heidelberger Rabbiner, zit. nach Homolka 2012, S. 41).
Aus diesem Wissen leiten jüdische Seelsorger die Forderung ab, den Menschen bei der Umsetzung der religiösen Gebote zu helfen und eine gottgefällige Umgebung zu schaffen. Damit gibt es noch mehr Parallelen zwischen dem jüdischen Verständnis von Seelsorge und dem Islamischen Verständnis von Seelsorgen.
Im Islam sind Körper und Seele voneinander abhängig, ohne dass die Art der Abhängig bekannt ist (vgl. Sia Talaat: Die Seelenlehre des Koran, 1929).
Der Koran soll mit dem Körper und der Seele empfangen werden; genauer mit dem Gesicht, dem Gehör und dem Herz.
Aus diesem Grunde ist es von großer Bedeutung, den Koran nicht nur alleine und im stillen zu lesen, sondern in der Gemeinschaft laut und melodiös zu rezitieren.
Bei der Islamischen Seelsorge wird nicht der „Seele“ alleine geholfen. Es besteht ein ganzheitliches Verständnis, dass dem ganzen Menschen dadurch geholfen wird, dass er die helfenden Regeln des Islam und des Koran umsetzt und damit seine Probleme reduziert.

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